Die Geschichte der Brass Band Contests

Der erste grössere Contest mit 8 Bands aus allen Teilen des Landes war The British Open Championship. Er fand am 5. September 1853 im Vergnügungspark Belle Vue in Manchester in der King's Hall statt. Bis heute – ohne Unterbrechung während den beiden Weltkriegen – wird dieser grosse Musikwettstreit jährlich im September abgehalten (1886 – 1900 auch im Juli). Der erste Gewinner war die Mossley Temperance Saxhorn Band (mit 11 Bläsern), dirigiert von Dir. W. Taylor. Als 2. folgte die Dewsbury (10 Bläser) und 3. wurde die Bramley Temperance (18 Bläser). Zu diesem ersten Wettbewerb kamen rund 16 000 Besucher. Der grosse Erfolg der Mossley Temperance Saxhorn Band geht auf die von Distin vermittelte Besetzung (Saxhörner) zurück, deren Einheitlichkeit des Tones und saubere Ansprache den Klang bestimmten. Alle 8 Bands spielten zwei Werke nach freier Wahl. Die Jury bestandaus dem Bandmaster John Ellwood, John Ellesmere, John Oakden (Sen.) und Mr. Dowlingate. Schon damals war die Jury in einer Box ohne Sichtverbindung zu den Bläsern untergebracht. 1854 waren es bereits 14 Bands, die am Belle Vue Contest teilnahmen. Die Bands konnten ihre Wettbewerbstücke selbst wählen, mit dem Resultat, dass z.B. die Besses o'th' Barn Band zwischen 1884 und 1892 zweiundzwanzigmal dieselbe Komposition spielte. Doch schon damals wurden Stimmen laut, dass jede Band ein Aufgaben- und ein Selbstwahlstück spielen müsse. 1855 entstand das erste Teststück Orynthiavon James Melling (1829 – 1870).

Der Unternehmer Enderby Jackson (1827 – 1903), auch Mitbegründer des Belle Vue Contest, organisierte seinen ersten Wettbewerb 1856 mit Melling in Hull. Er schrieb das Wettstück gleich selber: Yorkshire Waltzes (1857) folgte Londes borough Galop (1857) und ein Jahr später Venetian Waltz (1858). Jacksons musikalische Ausbildung war sehr vielseitig: Er spielte Klavier, Flöte, Waldhorn, chromatische Trompete und studierte Komposition und Harmonielehre. Auf seine Initiative hin wurde im Crystal Palace, London, 1860 der erste grosse Wettbewerb – und zwar während zweier Tage – durchgeführt. Am Abend fand ein Massed Band Concert mit Enderby Jackson als Dirigent statt. Sein Ensemble umfasste etwa 1400 (!) Bläser: 144 Soprancornets, 184 erste Cornets, 210 zweite Cornets, 83 Althörner in Eb, 71 erste und 51 zweite Hörner in Db, 210 Baritons, 74 Tenorposaunen, 75 Bassposaunen, 80 Euphonien, 133 Ophikleiden, 155 Bombardons in Eb, zwei (!) Bombardons in Bb, 26 kleine Trommeln, eine grosse Anzahl grosser Trommeln und Orgel. Enderby Jacksons Crystal Palace Contest wurde in den Jahren 1860 – 1863 durchgeführt und war effektiv der erste reale National Band Contest. Jackson brachte Rule Britannia, Hallelujah (Händel), Hochzeitsmarsch (Mendelsohn), einen Chor aus der Schöpfung (Haydn) und natürlich God Save the Queen zur Aufführung. Blasmusik und Wettbewerb waren unglaublich populär, viele Leute reisten lange Strecken, um ihre Bands zu begleiten und zu unterstützen. (1873 führten die britischen Eisenbahnen Fahrten von und nach den Wettbewerbsorten ein. Das ermöglichte den Leuten günstige und einfache Reisen durchs Land und erhöhte das nationale Wettbewerbsniveau.) Durch diese Wettbewerbe bekamen erfolgreiche Bands wie Black Dyke Mills, Meltham Mills und Besses o'th' Barn vertraute Namen. Die Meltham Mills Band war die erste Band, die den Hattrick 1876/77/78 unter der Stabführung des legendären John Gladney realisierte. Als man im Jahre 1867 zu viele Anmeldungen zu den Belle Vue Wettbewerben erhielt, beschränkte man sich auf ein Aufgabenstück. Diese Art von Wettbewerb setzte sich mehr und mehr durch. Auch Reglemente fanden sich langsam ein, wie z.B. das vom Jahre 1889 bei einem Belle Vue Wettbewerb, das sicher den Grundstein für die heutigen Reglemente war:

a) Berufsmusiker sind ausgeschlossen.
b) Ventilposaunen sind nicht zugelassen, nur Zugposaunen.
c) Ein Dirigent darf mehrere Bands leiten, jedoch nicht mit-spielen. Dirigenten können diese Tätigkeit hauptberuflich ausüben.
d) Aufgabenstücke dürfen vor den Wettbewerben nicht öffentlich aufgeführt werden.

Im Jahre 1893 wurde bei der ersten Versammlung der British Amateur Band Association (22 Bands) folgendes Reglement verfasst:

a) Jede Brass Band des Verbandes muss eine Liste ihrer Mitglieder einschicken.
b) Niemand soll sich bei zwei oder mehreren Bands registrieren lassen.
c) Eine Verbands-Band darf nur unter einem vom Verband zugelassenen Juror spielen.
d) Keiner Band ist es erlaubt, mit mehr als 24 Mitgliedern zuspielen.

Die grossen Dirigenten Ende des 19. Jahrhunderts waren Edwin Swift(1842 – 1904), Alexander Owen (1851 – 1920) und John Gladney (1839 – 1911) welche die Wettbewerbe von 1873 bis zum Tode von E. Swift 1904 dominierten. Beim Belle Vue Contest 1894 nahmen 19 Bands teil, wobei Gladney vier, Owen fünf und Swift ebenfalls fünf Bands dirigierten. Einen sehr grossen Einfluss auf die englische Blasmusik übte der Industrielle John Henry Iles (1871 – 1951) aus. Im Jahre 1898 besuchte er während einer Geschäftsreise einen Wettbewerb, der sich in Manchester abspielte. Nach seinen eigenen Worten war er sehr positiv von den Wettspielen überrascht und verliess das Konzert als ein überzeugter Enthusiast bezüglich Brass Band. Noch vor Ende 1898 erwarb er die Zeitung «The British Bandsman» und den Musikverlag Richard Smith (†1890). Diese Errungenschaften und sein persönlicher Einsatz ermöglichten ihm, einen grossen Einfluss auf die Zukunft der englischen Brass Band Musik auszuüben. Im Jahre 1900 organisierte er einen Brass Band Wettbewerb nach dem Vorbild von Enderby Jacksons Contest von 1860 und einmal mehr wurde London (Crystal Palace) das Zentrum von Anlässen mit nationalem Charakter: Der National Championship war geboren. (Der 1. Preis war die «Thousand Guinea Trophy».) Der National wurde ein ernstzunehmender Rivale des Belle Vue Wettbewerbes, kamen doch viele Bands aus dem ganzen Land. Im British Bandsman 1913 hiess es, dass 80 000 bis 90 000 Besucher zu den Wettbewerben erwartet wurden. Um die Jahrhundertwende bekam die Bandaufstellung und Kombination der Instrumente eine Standardisierung für den Wettbewerb.

Wettbewerbe wurden sorgfältig vom Publikum und den Bläsern verfolgt, wie ein Beispiel vom September 1913 im «The Daily News» zeigt: «...die Besucher die Partituren in der Hand folgten der Darbietung mit einer Gerechtigkeit und Genauigkeit und unterstützten die Juroren mit ihren Schätzungen ...». So bemerkte Gustav Holst (1874 – 1934) über die Solisten anlässlich der National Brass Band Championship 1928: «Ich war ein wenig enttäuscht, dass sich gewisse Cornet- und Euphoniumsolisten einem Vibrato hingeben, wenn die Musik ein ruhiges Cantabile verlangt. Des weiteren bemerkte ich eine Schwäche, die ich von früher nicht kannte: Wenn bestimmte Solisten vier gleiche Viertelnoten langsam zu spielen hatten, machten sie die letzten beiden zu einer punktierten Viertel und einer Achtelnote. Das warf einen schwarzen Schatten auf das sonst sehr schöne Musizieren. »Wettbewerbe waren auch regelmässig Treffpunkt grosser Rivalitäten, und die Beurteilung der Jury wurde leider nicht immer akzeptiert. Ein Jury-Mitglied wurde sogar in den Fluss geworfen. British Bandsman Chronist schrieb: «Die Jury wurde ausgepfiffen und bedroht, und als sie den Saal verliessen, wurde Polizei-Einsatz nötig.» Die nächste Dirigentengeneration prägte William Rimmer (1862 – 1936), der nach seinem Rücktritt von den Wettbewerben 1909 sich als Komponist, Arrangeur und Lehrer betätigte. Nach William Rimmer folgten William Halliwell (1864 – 1946), J.A. Greenwood (1876 – 1953) und natürlich die Mortimer-Familie mit Fred Mortimer (1881 – 1953) und seinen Söhnen Harry (1902 – 1992), Alex (1905 – 1976) und Rex (1911 – 1999). Da der Crystal Palace 1936 durch Feuer zerstört wurde, musste der National Contest nach dem Alexandra Palast verlegt werden. Die Krise und der Ausbruch des Krieges 1939 verursachten notgedrungen einen Unterbruch des National Contests.

Sofort nach Beendigung des Krieges im Jahre 1945 übernahm die Zeitung «The Daily Herald» die Aufgabe, dieses nationale Fest wieder einzuführen. Die Reglemente wurden erneuert: Es wurden vier Leistungsstufen und Regionalausscheidungen eingeführt. Zu gleicher Zeit wie der Final-Wettbewerb des Championship in der Royal Albert Hall, werden die National Finals der unteren Sektionen Second, Third und Fourth abgehalten. Auch in diesen Räumen ist die Begeisterung und der Stolz zur Aufführung nicht weniger gross als in der Royal Albert Hall. Die erfolgreichsten Dirigenten nach dem Krieg waren Harry Mortimer (1902 – 1992), Eric Ball (1903– 1989), Harrys Brüder Alex und Rex, Stanley H. Boddington (1905 – 1986), Leonard Lamp (1910 –1973) und Major für G.H. Willcocks (1899 – 1962). 1965 wurde versucht, eine Youth Section ins Leben zu rufen, aber erst 1978 wurde der National um die Youth Section bereichert. Auch die Reglemente wurden der neuen Zeit angepasst. Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen der Wettbewerbe wurde 1970 eine eiserne Regel gebrochen. Früher waren die Schlagzeuger am Wettbewerb nicht zugelassen, weil man fürchtete, sie würden mit ihrem «Lärm» Fehler der Blechbläser überdecken. Es wurden dann aber doch zwei Schlagzeuger pro Band zum Wettbewerb zugelassen. 1968 wurden die nur kurze Zeit existierenden World Championships (1968 –1971) ins Leben gerufen und seit 1978 die European Championships. Die heute populären Dirigenten sind Geoffrey Brand (1926), Major A.H. Kenney (1919 – 1994), Major Peter Parkes (1928), Roy Newsome (1930), Howard Snell (1936), James Watson (1951), David King (1957) und Elgar Howarth (1935), um nur einige zu nennen. Während all diesen Jahren, von Anfang bis heute, entstanden mehrere Wettbewerbe (z.B. Pontin's, Granada Band of the Year, All England Masters usw.). Die Szene wird aber durch den British Open und den National beherrscht.

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