Brass Band Geschichte der Schweiz

In den letzten Jahrzehnten hat sich die britische Brass Band Bewegung in Europa weit verbreitet und gerade in der Schweiz immer mehr Anhänger gefunden. Die Ursprünge dieser englischen Besonderheit der Blechblasmusik liegen rund 150 Jahre zurück, denn Brass Bands und Brass Band Musik gibt es in England seit etwa 1830 (in den USA seit 1840). Mit der Erfindung der Ventile und der damit zusammenhängenden Entwicklung neuer Blechblasinstrumente, die Tuba 1835 durch Wieprecht/Moritz, 1840 die Saxhorn-Familie von Adolphe Sax, waren die instrumententauglichen Voraussetzungen für das Aufkommen der Brass Band in England geschaffen. Die Industrialisierung bewirkte eine weite Verbreitung dieser Bands in ganz England. In den Bergbau- und Industriezentren Yorkshire, Lancashire und Wales forderten die Unternehmer die Gründung von Werk- und Bergwerkbands, um der hart arbeitenden Bevölkerung Ablenkung und eine Freizeitbeschäftigung in einem sonst recht tristen Dasein zu ermöglichen. Viele dieser Bands existieren heute noch. Ihre Namen erinnern an die ursprüngliche oder auch heute noch vorhandene Firmenzugehörigkeit, z. B. Black Dyke Mills Band, Carlton Main Frickley Colliery, Grimethorpe Colliery und Fairey Band. Auch die Heilsarmee hat grosse Bedeutung für die heutige Brass Band. General Booth, Vater der Heilsarmee, verbesserte die Leistungsfähigkeit der Bands für die Treffen seiner Heilsarmee. 1880 ging der Befehl an Offiziere und Soldaten der Armee, dass sie ein Instrument lernen sollten. 1886 gab es bereits 400 Heilsarmee-Bands, welche die Heilsbotschaft vermittelten. Die Brass Bands der Heilsarmee brachten die Musik auf Strassen und durch Familienbesuche in Spitälern durch ganz England. Die Heilsarmee hatte den Klang der britischen Brass Band über die ganze Welt verteilt.
In der Schweiz wurde die erste Heilsarmeeband 1886 von Bandmaster Leon Gagnebin in La-Chaux-de-Fonds gegründet. Es war dies eine kleine Band für die Region Neuchâtel. 1887 folgte Herisau dem Beispiel. In Liestal wurde 1888 von Bandmaster Lt. Alfred Baumgartner ein kleines Musikkorps ins Leben gerufen. Im gleichen Jahr versammelten sich zehn Musikanten an der Riehentorstrasse 28 in Basel zur ersten Musikprobe unter der Leitung von Musikchef Gottlieb Buchmüller. Nachbarn und weitere Gegner erschwerten der Heilsarmeemusik das Musizieren, ja es kam sogar so weit, dass die Instrumente zerschlagen und die Musikanten verprügelt wurden. Erst im Jahre 1895 wurde durch Beschluss der Basler Regierung der Heilsarmeemusik die gleichen Rechte wie den übrigen Blasmusikvereinen eingeräumt. Im Rapport schrieb Polizeihauptmann Mangold der Regierung: «DieHeilsarmee spielt ja ebenso gut wie die anderen Musikkorps...»

Captain Gottfried Gert schrief 1896 das Heilsarmeekorps Zürich ins Leben. 1908wurde in Zürich bereits der erste Band Kongressdurchgeführt. 1932 trat die Chalk Farm Band eine grosse Tournee in der Schweiz an. Kurz darauf plante Lt. Colonel Emil Nigg (1885 – 1973) mit der Offiziersmusik der Heilsarmee 1935 eine dreiwöchige Tournee. Als Freimitglieder wurden u.a. Daniel Aegerter, André Winkler (Cornets) und Ernst Egger (Posaune) aufgeboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Brass Band Pionier Ernst Graf 1947 aus Irland, wo er lange Jahre eine Brass Band dirigierte, in die Schweiz zurück. In Speicher übernahm er den Musikverein Harmonie. Beim Eidg. Musikfest 1948 in St. Gallen spielte die Harmonie Speicher bereits mit einigen Brass Band Instrumenten. Ernst Grafs Ziel war, den MV Harmonie Speicher in eine Brass Band umzuwandeln. Bei jeder Reise von England brachte er englische Brass Instrumente mit. Da die Instrumente in hoher Stimmung waren, mussten sie abgeändert werden.1975 hatte Ernst Graf sein Ziel erreicht. Der MV Speicher trat am Eidg. Musikfest in Zürich erstmals als Brass Band auf. Den Höhepunkt von Ernst Graf und dem MV Speicher erreichten sie 1971 am Eidg. Musikfest in Luzern. André Winkler, ebenfalls ein Brass Band Pionier, schlug, um Brass Band zumachen, einen ganz anderen Weg ein. Als er 1948 neben der Postmusik Bern die Konkordia Steffisburg übernahm, machte er sich zielstrebig daran, diesen Verein in eine Brass Band umzuwandeln. Einzig die Instrumente waren ein grosses Problem, weil sie zu teuer waren. André Winkler hatte die glänzende Idee, die Instrumente bei der Instrumentenfirma Max Reiner in Thun nach englischen Originalen nachbauen zu lassen. Am 11. Bernischen Kantonal-Musikfest 1951 in Langenthal trat die Konkordia Steffisburg mit der Balletsuite von Eric Ball in der 1. Klasse erstmals als vollständige Brass Band in Erscheinung. In seinem Jury-Bericht schrieb Otto Zurmühle: «... Da an der Spitze des Korps ein Musiker steht, der die Eigenart der englischen Blasmusik im Lande selber studieren konnte, wirkt das Experiment in jeder Hinsicht überzeugend. Sie hat gewiss manchem Skeptiker die Augen etwas geöffnet und ihm bewiesen, dass jenseits des Kanals eine Blasmusik lebt und wirkt, der wir in der Schweiz für Anregungen nur dankbar sein können...»

Für André Winkler war dies ein idealer Beginn, dennoch gab er sich nicht zufrieden. Er wollte die Brass Band in der Schweiz populärer machen. So bat er seinen Freund Eric Ball, eine Tournee mit seiner CWS (Manchester) Band in der Schweiz durchzuführen. Gleichzeitig engagierte Stephan Jäggi den 20-jährigen Principal Cornetisten Derek Garside als Solist für das Jahreskonzert der Stadtmusik Bern. 1954 übernahm André Winkler als Nachfolger von Walter Feldmann die Bürgermusik Luzern, der Beginn einer steilen Karriere. Sein Name ist vom heutigen Begriff «Bürgermusik Luzern» nicht mehrwegzudenken, da sein immenses Schaffen, speziell im Bereich der Blasmusik, der Bürgermusik und später auch anderen Vereinen, grossen Nutzen brachte. Für die Jahreskonzerte engagierte André Winkler englische Solisten wie Derek Garside, D. Smith, J. Polland. Als Nachfolger von Otto Zurmühle übernahm Andre Winkler 1958 die Frohsinn Schötz und führte diesen Verein zu etlichen Höhepunkten. Nach dem Erfolg am Eidg. Musikfest 1976 in Biel wurde die Frohsinn Schötz als erster Schweizer Verein eingeladen, am 1. European Brass Band Championship in London 1978 teilzunehmen. Zwei weitere Pioniere der Brass Band Szene, Ernst Egger und Daniel Aegerter, blieben seit der Bekanntschaft in der Offiziersmusik der Heilsarmee nicht untätig. Ernst Egger wurde 1957 von der Evangelischen Allianzmusik Basel als musikalischer Leiter berufen, wo er bis 1964 eine erfolgreiche Tätigkeit mit Konzerten im In- und Ausland erlebte. Vor allem die Jahreskonzerte in der Martinskirche Basel übten eine grosse Anziehungskraft auf viele Brass Band Fans in der weiteren Umgebung Basels aus. Ebenfalls1957 übernahm Ernst Egger die Harmoniemusik der Stadt Zug. Die ersten Früchte der Aufbauarbeit traten 1961 am Eidg. Dirigentenkongress im Casino Zug zu Tage. 29 Jahre lang hat Ernst Egger dieses Korps geleitet und es war ihm eine Genugtuung, dieses Ensemble in gute Hände weiterzugeben. Im gleichen Jahr wirkte er in Eglisau, wo zum Teil durch seinen Einfluss englische Instrumente angeschafft wurden. Heute präsentiert sich diese Brass Band als ausgezeichneter Verein. Eschlikon 1971 – 1980: Es war in jeder Hinsicht eine Freude für Ernst Egger mit diesem Posaunenchor in perfekter Brass Band Besetzung zu arbeiten. Vom anfänglichen guten Zweitklassniveau erreichten sie unter seiner Leitung in einigen Jahren das Höchstklass-Format in der Brass Band Bewegung der Schweiz. Daniel Aegerters Eltern, sie waren beide Heilsarmee-Offiziere, hatten einen sehr grossen Einfluss auf seine musikalische Entwicklung. Hier ergaben sich die ersten Kontakte zur Blasmusik. 1933 bis 1936 war Daniel Aegerter Berufsschüler am Konservatorium Zürich. Als Solo- Cornetist der Offiziersmusik der Heilsarmee unter der Leitung von Oberst Emil Nigg fanden 1935 auch die ersten Begegnungen mit André Winkler und Ernst Egger statt. Da die Aussichten, sein Musikstudium fortsetzen zu können, durch den Krieg immer mehr schwanden, verlegte er seinen «Wohnort» in die Polizeikaserne. Statt Musik studierte er nun Gesetze, Verordnungen und was der Fächer mehr waren. Volle Anerkennung gab es, als er in der Musikakademie Zürich unter Ernst Lüthold 1956 das Dirigentendiplom mit Auszeichnung zugesprochen erhielt. Parallel dazu büffelte er Englisch und absolvierte die bei-den Fernkurse für Brass Band Dirigenten der Heilsarmee in London 1953 – 1954 bei Major Saywell, die er ebenfalls «with Honours» abgeschlossen hat.

Besondere Anerkennung erlebte er durch die Berufung nach Basel als Dirigent der Evangelischen Allianzmusik Basel, dies als Nachfolger von Ernst Egger im Jahre 1964 (bis 1976).Daniel Aegerter lag es anheim, die Musik weiter zu formen, so dass nebst zahlreichen Konzertauftritten, an der Mitwirkung an Gottesdiensten, 1972 am 1. Schweizerischen Brass Band Wettbewerb teilgenommen werden konnte. Wer hatte gedacht, dass dabei die Evangelische Allianzmusik Basel mit Suite de Ballet von Jean Babtiste Lully (arr. R. Mermet) als Sieger hervorginge. Weniger überrascht zeigte sich die Fachweltüber den zweiten Erfolg im darauffolgenden Jahr (1.Rang, Rondo für Brass Band von Albert Benz [1927 – 1988]). Doch leider ging 1976 Daniel Aegerters Ära in Basel aus beruflichen Gründen zu Ende. Daniel Aegerter machte sich auch Gedanken über die Pflege des Nachwuchses. Das Jugendhaus der Heilsarmee in Adelboden war jedes Jahr von 1954 –1976 Ziel vieler Jungbläser (nicht ausschliesslich von der Heilsarmee). Hier hatte er Gelegenheit, in Ferienmusiklagern bei der Ausbildung des Nachwuchses behilflich zu sein. Weitere Jugendmusiklager des Verbandes schweizerischer Posaunenchöre gaben ihm die Möglichkeit, sein Wissen an junge Menschen weiterzugeben. Die Pioniere der ersten Stunde förderten in verschiedenen Regionen der Zentral- und Ostschweiz das Aufkommen der Brass Bands. Sie schulten ihre Vereine auf den Brass Band Stil um und bildeten ihre Schüler entsprechend aus. In der französischen Schweiz formierte Roger Volet (1919), ebenfalls ein Heilsarmee-Mitglied, das Ensemble Romand d'Instrument de Cuivre (ERIC) als offizielles Blasmusikkorps von Radio Lausanne. Einer seiner Schüler, Jean-Charles Dorsaz (1940), brachte den Brass Band Stil ins Wallis. Der Kreis wurde immer grösser, andere Schweizer Blasmusiker bildeten sich ebenfalls in England aus und schufen neue Zentren in der ganzen Schweiz, mit Ausnahme des Tessins. Durch verschiedene Konzerttourneen englischer Top-Bands in der Schweiz (CWS [Manchester] Band, Black Dyke, Hendon u.a.) wurde immer mehr Interesse geweckt für diese Art von Blasmusik. Vorbei war die Zeit die zu grotesken Situationen führte, als einzelne Musikvereine ihren Musikanten untersagten, ein Konzert von Brass Bands zu besuchen.

Die ganz grosse Brass Band Begeisterung begann aber eigentlich erst um 1970. 1972 gründete Jean-Pierre Birbaum zusammen mit Kollegen und dem Ensemble de Cuivres «Mélodia» in Crissier (VD) den Schweizerischen Brass Band Wettbewerb nach englischer Art. Nach vier Wettbewerben in Crissier 1972 – 1976 demissionierte Jean-Pierre Birbaum wegen Krankheit als Präsident des Festivals Crissier. André Kofmehl wurde an der Gründerversammlung des neuen Schweizerischen Brass Band Verbandes 1977 deren erster Präsident. Im gleichen Jahr fand in Zürich der 5. Wettbewerb in der Tonhalle statt. 1979/1980 organisierte André Kofmehl den 6. und7. Wettbewerb und der grosse Erfolg bewies den stetigen Qualitätsaufstieg der Bands. Jean-Pierre Birbaum war es nicht vergönnt, diesen grossen Erfolg seiner Idee zu erleben. Er starb 1979 im Alter von nur 35 Jahren. 1982 – 1987 wurde der Schweizerische Brass Band Wettbewerb in der Bundesstadt Bern und seit 1988 in Montreux ausgetragen. Die Organisation erfolgte während diesen 12 Jahren durch Beat Heer von der Heer Band Promotion AG, Zürich. 1994 übertrug der Brass Band Verband die Durchführung des Wettbewerbs an die Top Music SA., Saint-Maurice. 1974 gründete Markus S. Bach den Schweiz. Solo- und Quartett-Wettbewerb (SSQW) und rief 1976 mit ein paar Kollegen die Nationale Jugend Brass Band der Schweiz (NJBB) ins Leben. Der SSQW wird seit seiner Gründung alljährlich mit grossem Erfolg (und Rekordbeteiligung von Jahr zu Jahr) durchgeführt und ist Ansporn und Motivation für zahlreiche junge Bläser und Quartettformationen. Für den ersten Sommerkurs der NJBB bot sich dank ihrer Infrastruktur die reformierte Heimstätte Gwatt bei Thun an und erwies sich als hervorragender Lagerort. Als Gastdirigenten wurden gleich zweiverpflichtet, nämlich der Brass Pionier André Winkler und der Komponist Fritz Voegelin (1943). Es ist das Verdienst von Markus S. Bach, dass all die Jahre immer wieder hervorragende Solisten und Dirigenten der englischen Bands sich für diese Jugendarbeit zur Verfügung stellen. Die jungen Musikanten danken es Markus S. Bach und seinen Mitarbeitern jeweils in den Konzerten, die beim Publikum und bei der Presse grossen Anklang finden. Neben den erwähnten Wettbewerben traten in jüngster Zeit noch andere hinzu. Die Musikgesellschaft Risch-Rotkreuz, Markus Wismer und Heinrich Schwerzmann gründeten 1987 den U-Brass Contest der heute in Co-Produktion zwischen Schweizer Radio DRS und dem Obrasso-Verlag bereits zum elften Mal (im Kursaal Bern) durchgeführt wird. Ein neuer interessanter Wettbewerb ist der Swiss Open Contest «Brass in Concert», der 1990 durch den Obrasso-Verlag lanciert wurde. Allen diesen Institutionen ist es sicher zu verdanken, dass sich die Bläser der Brass Bands und vor allem die junge Generation in den letzten Jahren ständig verbessern konnten. Die hervorragenden Leistungen verschiedener Bands an den Wettbewerben, oder die sehr guten Klassierungen der Brass Band13 Etoiles, Brass Band Biel, Brass Band Berner Oberland und der Brass Band Bürgermusik Luzern an Europäischen Wettbewerben legen hier deutlich Zeugnis ab.

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